Spiel- und Computersucht bei Jugendlichen

Dem Süchtigen gehört die Scheinwelt – Erhard Horst Bellermann

Durch die Digitalisierung unserer Welt ist es heute möglich, immer und überall online zu sein. Anstatt in der Straßenbahn aus dem Fenster zu sehen, um die Umgebung achtsam zu genießen, starren mittlerweile die meisten Menschen auf den Bildschirm ihres Smartphones. Selbst in der Schule finden immer mehr Unterhaltungen non-verbal statt – über diverse Messenger oder soziale Netzwerke, selbst wenn sich die Jugendlichen im selben Raum befinden.

Die durchschnittliche Bildschirmzeit, also die Zeit, die wir Menschen vor dem PC, Handy oder Fernseher verbringen, beläuft sich täglich auf mehrere Stunden. Oft ist dies durch den Beruf notwendig, doch selbst in der Freizeit ist es für viele schwer, sich voll und ganz der realen Welt zuzuwenden.

Mit steigender Tendenz wird die sogenannte Computersucht beziehungsweise Computerspielsucht ein ernst zunehmendes Problem, sodass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar plant, diese im ICD-11 (= internationale statistische Klassifikation von Krankheiten) aufzunehmen.

„Lust ist immer spontan, Sucht strukturell.“ – Andreas Tenzer

Doch wie lässt sich erkennen, ob jemand mit seinem Verhalten bereits eine pathologische Grenze überschreitet?

Dies festzustellen ist durchaus schwierig, da es bezüglich der Computersucht noch keine allgemeingültige Definition gibt, die ein gesundes von einem krankhaften Spielverhalten
abgrenzt. In Anlehnung an das pathologische Glücksspiel, gibt es allerdings durchaus Anzeichen, die auf eine krankhafte Nutzung hindeuten.

Hierzu zählen beispielsweise der Kontrollverlust hinsichtlich der Dauer und Intensität des Spielens, Entzugserscheinungen, falls kein Online-Zugang möglich ist, das Aufkommen von zwischenmenschlichen Problemen, sowie ein starker Wiederholungszwang. Gleichzeitig werden auch Ausreden erfunden, um möglichst lange weiterspielen zu können.

Teilweise geht Computersucht auch mit depressiven Phasen sowie Antriebslosigkeit und Isolation (Freunde oder Bekannte werden nur mehr virtuell im Multiplayer-Spiel „getroffen“) einher. Dem hinzu kommt die Ausschüttung von Glückshormonen, sobald die Betroffenen ihrer Lust am Surfen beziehungsweise Spielen nachkommen können.

Generell handelt es sich bei der Computersucht um eine sogenannte Verhaltenssucht, ähnlich der Glücksspiel- oder Kaufsucht. Die Ausübung ist dabei zwanghaft und exzessiv, andere Interessen rücken in den Hintergrund, trotz negativer Folgen in diversen Lebensbereichen.

Potentiell gefährdet an Computersucht zu erkranken sind grundsätzlich alle Menschen, die täglich mehrere Stunden das Internet für die Freizeitgestaltung nutzen, etwa um zu spielen oder zu chatten. Es ist jedoch auffällig, dass vor allem Kinder und Jugendliche besonders häufig betroffen sind. Oft verbringen diese dann die ganze Nacht vor dem PC, vernachlässigen ihre Freunde und die schulische Leistung fällt drastisch ab.

Die Gründe dafür sind meist vielseitig und setzen sich aus mehreren Faktoren zusammen: Zum einen sollen mit dem Suchtverhalten Stress bewältigt, Probleme vergessen und Anerkennung erlangt werden, zum anderen spielen auch die Neurobiologie und die eigene Persönlichkeit eine wichtige Rolle. So haben manche Personen ein höheres Risiko süchtig zu werden, als andere.

„Süchte blockieren etwas Besseres.“ – Ute Lauterbach

Um die genauen Gründe der Sucht herauszufinden, die dazu geführt haben, dass das reale Leben im Vergleich zur Online-Welt so unattraktiv erscheint, ist manchmal Hilfe nötig. Es geht bei der Lösung des Problems nicht um das Aufstellen von Verboten oder darum, etwas loszuwerden – vielmehr sollen durch die Sucht verloren gegangene Dinge wiedergefunden werden. Die Freunde, die man so lange nicht mehr getroffen hat, die Freude am Lernen, die durch die Sucht unterdrückt wurde oder das gute Verhältnis zu den eigenen Eltern, das unter dem
zwanghaften Verhalten gelitten hat – es gibt viele gute Gründe, sein Leben wieder völlig frei zu führen.

 

Psychotherapie kann unterstützen, die Kontrolle zurück zu gewinnen. In der systemischen Therapie mit Jugendlichen stehen dessen eigene Ressourcen im Zentrum und können so die Grundlage der Lösung werden. Psychotherapie kann dabei helfen, die Lebensqualität sowohl für den Betroffenen aber auch sein familiäres Umfeld zu verbessern.